
Vom Himmel her gedacht: Warum Hoffnung eine starke Wirtschaftsethik schafft
Theologische Wirtschaftsethik fragt danach, wie ökonomisches Handeln im Lichte des christlichen Glaubens beurteilt und verändert werden kann.
Ihr besonderer Reiz liegt darin, dass sie eine andere Perspektive einnimmt – sie denkt vom Ende her: von der Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in der Gerechtigkeit, Frieden und Leben in Fülle herrschen.
Was ist also der Reiz einer theologischen Wirtschaftsethik?
Aus meiner Sicht ist es besonders ihre Kraft, als kritisches Korrektiv zu wirken: Kritik als Widerspruch – aber auch als Chance und Türöffner für das Leben. Wer weiß, was möglich wird, gibt sich nicht mit dem Ist-Zustand zufrieden. So entsteht eine Ethik, die das Bessere im Blick behält – komparativ, realistisch und getragen von Hoffnung.
Wie geht das?
Man spricht in der Theologie vom eschatologischen Vorbehalt. „Eschatologie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet: die Lehre von den letzten Dingen. Gemeint ist, dass durch die Verheißungen den Gläubigen „bekannt“ ist, was als Letztes kommt: ein neuer Himmel und eine neue Erde.
Kurz: Sie haben Hoffnung – und eine Vorstellung davon, wie es wirklich gut aussieht.
Das Reich Gottes in Reinkultur. Mit allem, was dazugehört:
Keine Tränen mehr, kein Leid, keine Trauer, keine Ungerechtigkeit, kein Krieg.
Es heißt, dass Gott alles in allem sein wird.
Kurz: eine wunderbare Vorstellung.
Deshalb kann die Theologie von dort aus denken. Sie denkt also in gewisser Weise von hinten nach vorne, vom Zukünftigen ins Jetzt.
Wir nennen es eschatologischen Vorbehalt, weil das, was wir hier auf Erden sehen, von diesem Letzten ausgedacht nur vorläufig sein kann. Theologisch: Das Reich Gottes hat schon angefangen, aber es ist noch nicht vollendet. Es wird in seiner ganzen Fülle erst noch durch Gott am Ende der Tage vollendet werden.
Und weil die Theologie um dieses Letzte weiß, kann sie sich nicht mit den Umständen des Vorletzten zufriedengeben. Das Vorletzte ist alles, was jetzt ist. Und die theologische Wirtschaftsethik möchte das Vorletzte mit der Perspektive auf das Letzte verbessern, wohlwissend, dass sie im Vorletzten nie das Letzte erreichen kann.
Das Letzte steht nicht in ihrer Hand, aber weil es ihr in der Verheißung geoffenbart ist, motiviert und fordert es sie im Vorletzten bereits ein. Wer weiß, was möglich wird, gibt sich nicht mit dem Ist-Zustand zufrieden.
Diese Ethik hat deswegen das Bessere im Vergleich zum jetzigen Zustand zu suchen. Wir können das komparative Ethik nennen. Jeden Tag ein bisschen besser. Die so geprägte theologische Wirtschaftsethik kann die ökonomische Ratio an vielen Stellen als Zwang und Unfreiheit entlarven und auf neue Chancen hinweisen, das zu wählen, was lebensdienlicher ist.
Und was ist besonders schön daran? Dass diese so verstandene Ethik das Verbessern in Freiheit und Freude tun kann - gegen alle Widerstände und Enttäuschungen, auch gegen alles eigene Versagen. Denn sie selbst ist letztlich nicht der Garant für die Verbesserung der Umstände – geschweige denn für die Erfüllung der Verheißung. Sie kann von der intensiven Hoffnung aus agieren, dass am Ende alles gut gemacht wird durch jemanden, der nicht in ihrer Hand ist.
Wer diese Hoffnung geschmeckt hat, der will sie jetzt schon so weit es geht realisiert sehen. Der kann aus der Ruhe der Verheißung mutig agieren.
Aber es gilt auch hier: Demut ist eine wichtige Tugend. Die Ethik und auch die Theologie sind ihrerseits nur vorletzte Worte - Erkenntnisse sind mit Apostel Paulus gesprochen immer auch nur “wie durch einen Spiegel hindurch”.
Und eine Sache noch besonders für die Theologinnen und Theologen: Kritisch und befreiend ist die theologische Wirtschaftsethik nur dann, wenn sie an ihrer Angewiesenheit und Bezogenheit zum Wort Gottes festhält.
Sie kann nur ‚befreiend’ sein, wenn sie sich selbst immer wieder kritisch hinterfragen lässt und sie kann nur kritisch sein, wenn sie befreit wird von einem illusorischen Selbstverständnis. Karl Barth lässt grüßen.